Am Internationalen Frauentag lohnt sich ein Blick zurück, der zeigt, was in puncto Gleichstellung und weiblicher Lebenswirklichkeit in der Bundesrepublik seit der Nachkriegszeit erreicht wurde. Unser aktuelles Fundstück ist die Zeitschrift „Film und Frau“, ab jetzt im Bestand der Universitätsbibliothek Leipzig und damit auch verfügbar über den Fachinformationsdienst adlr.link.
Großformatige Outtakes aus dem Film begleiten die Rezension von „Frühstück bei Tiffany“ aus dem Jahr 1961, darunter die ikonisch gewordenen Porträts von Audrey Hepburn als Holly Golightly. Ein paar Seiten weiter finden sich Beauty-Tipps für Damen, um für „ihn“ noch attraktiver zu sein. Dazwischen gibt es eine Anzeige, die für leicht zu bügelnde Männeroberhemden wirbt. Diese unterschiedlichen Fundstücke stammen aus der Zeitschrift „Film und Frau“. Sie erschien von 1949 bis 1966 und gehört nun zum Bestand der Universitätsbibliothek Leipzig.
Das Thema Film, das der Titel der Zeitschrift betont, gehört durchgehend zu den zentralen Rubriken aller Ausgaben. Vorgestellt werden vornehmlich aktuelle Kinofilme. So findet sich in einer Ausgabe von 1954 eine Besprechung des deutschen Dramas „Die Sonne von St. Moritz“ mit Signe Hasso und Karlheinz Böhm, das in der winterlichen High Society spielt. Ab und an setzt die Rubrik lokale Schwerpunkte wie zum Beispiel auf den französischen Film, so zur Schauspielerin Dany Robin. Oder der Blick geht zurück auf Klassiker, etwa auf Werke von US-amerikanischen Ikonen wie Orson Welles. Daneben liest man Berichte über Filmgalas und Preisverleihungen. Sie sind stets illustriert mit den passenden Fotos, die den Leser*innen einen Blick in die glamouröse Filmwelt gestatten.
Anders als ihr Titel suggeriert kommt das Thema Film auf den gesamten Umfang der Zeitschrift gesehen mit vergleichsweise wenig Raum aus. Modefotos füllen dagegen viele Seiten, dazu Themen aus dem weiblichen Alltag wie Innenraumgestaltung, Körperpflege, Mobilität und Reisen, Musik, auch Beziehungsgeschichten. Das Spektrum ist jedoch bewusst für Leser*innen aus der gehobenen Mittelschicht aufbereitet und setzt luxuriöse Akzente. Seit „Film und Frau“ in der Nachkriegszeit auf den Markt kam, verwendete die Zeitschrift ein ganzseitiges weibliches Porträt auf dem großformatigen Cover und ein wappenartiges Logo, das bald golduntersetzt war. Mit diesem exklusiven Stil und der Wahl der Inhalte grenzte sie sich von den typischen Lebenshilfe- und Handarbeitszeitschriften ab.
Der Hamburger Jahreszeiten-Verlag, in dem „Film und Frau“ erschien, verpflichtete eine Reihe von namhaften Fotograf*innen wie Regina Relang und Willy Maywald. Anfang der 1950er Jahre begann F. C. Gundlach, für das Blatt zu fotografieren. Damit hielt seine besondere Ästhetik und die Inszenierung von Mode an ungewöhnlichen Orten Einzug in die Reportagen, aber auch eine neue Art der Modefotografie. Bislang arbeitete man meist mit anonymen Models, die damals noch „Mannequins“ hießen. Gundlach setzte die Mode dagegen mit bekannten deutschen und internationalen Filmstars in Szene. So lichtete er Hildegard Knef in einem Cocktailkleid aus Chantilly-Spitze gemeinsam mit Jean Marais für die „Film und Frau“ ab.
Durch Gundlach ist ebenso ein Blick in die Hamburger Chefredaktion der „Film und Frau“ von 1955 dokumentiert. In dieser Aufnahme präsentieren Curt und Helga Waldenburger die erste Ausgabe in Farbe. Sie begleiteten das Blatt durch erfolgreiche Jahre mit Auflagenzahlen von 450.000 Stück (1965). Ende der 1960er Jahre war das, wofür „Film und Frau“ stand, für das weibliche Publikum jedoch nicht mehr zugkräftig genug. Außerdem spielte das Fernsehen inzwischen eine viel größere Rolle als der Kinofilm. Nach einer Umbenennung ging die Zeitschrift 1969 schließlich in der „Petra“ auf.
Insgesamt ist die Zeitschrift „Film und Frau“ nicht nur ein Kuriosum, das Rezipient*innen mit heutigem Blick staunen und schmunzeln lässt. Sie bietet medienwissenschaftlich Interessierten nicht nur aus dem Feld der Feminist Media Studies einen Zugriff darauf, welche filmbezogenen Inhalte im Verlauf der gut zwanzig Jahre ihres Bestehens mit welchen Mitteln für die Leser*innen aufbereitet wurden. Gleichzeitig eröffnen sich Analysemöglichkeiten durch die Fülle an Werbeanzeigen. Diese Produkte und ihre Kontextualisierung zeigen einerseits den stets präsenten männlichen Blick und die Orientierung an patriarchalen Strukturen auf. Andererseits dokumentieren sie das Streben nach weiblicher Selbstverwirklichung in einer Gesellschaft, die durch die Wirtschaftswunderjahre zu relativem Wohlstand gekommen war. Damit ist die „Film und Frau“ für kultur- und geschichtswissenschaftliche Fragestellungen ebenso wie für die Gender Studies von großem Interesse.
Die Ausgaben der „Film und Frau“ kamen aus Bonn zum Fachinformationsdienst, der an der Universitätsbibliothek Leipzig beheimatet ist. Er verdankt sie dem heutigen LVR-LandesMuseum Bonn. Die Zeitschrift erschien in der Regel mit 26 Ausgaben im Jahr. Regelmäßig gab es Sonderhefte zu Themen wie Architektur oder Familie. Im Bestand der UB Leipzig finden sich Ausgaben von 1949 bis 1962.
Der Fachinformationsdienst adlr.link macht die Zeitschrift für angemeldete Nutzer:innen über seinen Dokumentenlieferdienst zugänglich. Er steht außerdem für Anfragen betreffs wissenschaftlicher Kooperationen zum Themenfeld der Zeitschrift offen.
Wer über den Internationalen Frauentag hinaus mit der „Film und Frau“ arbeiten möchte, ist herzlich eingeladen, dies zu tun. Altersbedingt fasst man die originalen Ausgaben am besten mit Samthandschuhen an – so wie Holly Golightly eben.
Zum Weiterlesen: Einen ersten Einblick in das Themenspektrum, den Ton und die Zielgruppe bietet der Beitrag von Jörg Bohn, erschienen in Trödler Kompakt, Heft 9/2006.